Japan2005
Dienstag, Februar 15, 2005
  Lindenblüten .

Vormittagsruhe. Kontemplation ohne Hopper. Ohne Fuji. Der Himmel ist verschleiert. Die Bibliothek ist geheizt. Nach dem Mittagessen fahren wir nach Tokyo. Der Professor hat einen Termin mit der Geschäftsführerin des Ökotourismusverbandes. Und mit einer Studentin oder Doktorandin. Abends Ginza. Jazz.

Vormittags Lindenblüten. Schweizer Bio-Bergkräuter „Direkt aus unserem Berggebiet. Genuss ohne ‚wenn und aber’“. Ein Weihnachtsgeschenk von Susanna. Mit einem Löffel Wildblütenhonig. Aus dem Hundertyenshop. Auf der Etikette die englische Gebrauchsanweisung. „Do you know how to cook this honey? Our wild flower honey is best for making Juice, Coffee, Tea, Bread etc...!!”. Der Hals tut immer noch weh. Verschleimt. In der Nacht. Nach innen. Nach unten. Der Husten holt alles wieder herauf. Kein Fieber. Die englischen Übersetzungen von japanischen Haushaltssätzen sind Gold wert.

Die erste Straßenbahn sahen und benützten wir in Nagasaki. Zusammen mit dem freundlichen Professor. Danach stiegen wir allein in weitere in Hiroshima. In Okayama. In Himeji. Und überall fragte ich mich, warum diese Einwagentrams so uralt sind. Warum, wenn ausnahmsweise zwei Wagen aneinandergehängt sind, im hinteren eine Schaffnerin steht. Sie benützt ein Mikrophon und ein offenes Fensterchen zur Abfertigung. Sagt die Stationen an, kontrolliert im Blinwinkel, dass kein Kind unter die Räder kommt. Begrüßt mit leichter Verbeugung die Einsteigenden. Bedankt sich ebenso bei den Aussteigenden. Wechselt Geld. springt auf Verlangen durch den ganzen Wagen. Leistet Hilfe an der elektronischen Ticketcheckmaschine. Es gibt zu viele Menschen in diesem Land, denen sämtlich Verantwortung fortlaufend liebevoll abgenommen wird. Sogar die technische Hochentwicklung wird aus Rücksicht auf sie heruntergeschraubt. Auf ein mittelalterliches Niveau. Die Folge davon ist eine erschreckende Unselbständigkeit. Jedermann braucht jederzeit irgendjemanden, der (oder besser die) ihn an die Hand nimmt, ihm ins Ohr flötet oder pfeift (Vogelweibchen, Kuckucksruf). Ansonsten sind sie hoffnungslos verloren.

Ich setze Wasser auf für die Nudeln. Damit es sprudelt, wenn der Koch die Küche betritt. 
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Judith Arlt in Japan. -- Es hat mich in ein Land verschlagen, das sauberer ist als die Schweiz. -- Zu einer Jahreszeit, die ich lieber bei den wildlebenden Kaiserpinguinen auf dem Meereis in der Weddel See verbringen würde. -- Als begleitendes Familienmitglied eines Research Fellows der Japan Society for the Promotion of Science. -- Judith Arlt in Tsukuba Science City, Präfektur Ibaraki.

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